Die neunte Welle schwappt über Düsseldorf
Treue Leser des Plueschblogs werden wissen, daß wir Hansi Kürsch letztes Jahr zweimal auf Konzerten anderer Künstler als Gast gesehen und gehört haben. Letzten Samstag hatte er seine eigene Band dabei, um das neue Album “Beyond the Red Mirror” vorzustellen. Blind Guardian tüfteln lange an ihren Liedern, so daß zwischen Alben und den dazugehörigen Touren mehrere Jahre ins Land ziehen. Unser letztes Konzert an selber Stelle liegt bereits fünf Jahre zurück. Da konnten wir es uns nicht nehmen lassen, die Fahrt nach Düsseldorf anzutreten. Über siebentausend Menschen taten es uns gleich. Relativ pünktlich betrat aber erst einmal die isralische Band Orphaned Land die Bühne und präsentierte ihre Mischung aus Metal mit orientalischen Klängen. Die sympathische Band eroberte die Zuschauer in Düsseldorf auf Anhieb, so daß Sprechchöre, die den Bandnamen riefen, nicht lange auf sich warten ließen. Die Band war sichtlich angetan von dem mehr als positiven Empfang und es zeigte früh bereits die gute Stimmung in der Halle.Der Sänger von Orphaned Land stellte zuerst einmal amüsiert klar, er sei nicht Jesus. Bei Kobi Farhi besteht mit seinen langen Haaren, dem Bart und dem wallenden Gewand, wirklich Ähnlichkeiten mit dem weitverbreiteten Bild des Gottessohnes. Weiterhin erwähnte er, daß sie es auf ihren Konzerten schaffen, Christen, Juden und Moslems ganz ohne Politik und Religion friedlich in einem Raum zu versammeln, denn Heavy Metal verbindet. Auch diese Botschaft wurde jubelnd aufgenommen. Aber Orphaned Land waren nicht zum Predigen gekommen, sondern zum Musizieren und das taten sie eine gute dreiviertel Stunde. Wenn es nach den Zuschauern gegangen wäre, hätten sie länger spielen können. Nach einer Umbaubause ertönten die ersten Töne von “The Ninth Wave”, dem Opener des neuen Albums, der ebenfalls das Konzert eröffnete. Dann fiel der Vorhang und gab den Blick auf die Bühne und die Band frei. Ziemlich mittig auf der großen Bühne saß Frederik Ehmke hinter seinem Schlagzeug. Rechts von ihm stand der langjährige Keyboarder Michael Schüren und links der Neuzugang, Bassist Barend Courbois. Die anderen drei Wächter nahmen mit Instrumenten und Mikro ihre Plätze am Bühnenrand ein. Das etwas sperrige Stück tat der Wiedersehensfreude keinen Abbruch. Als zweites Lied wurde ein Brecher vom zweiten Album gespielt und die Menschen bangten was die Haare hergaben. Mit dem dritten Song ging es das erste Mal an dem Abend nach Mittelerde. Wobei ich zugeben muß, daß “Nightfall” für mich in die Kategorie “Schunkelmetal” fällt, wird es immer begeistert aufgenommen. Überhaupt wurde jedes Lied lautstark mitgesungen und die Band stetig umjubelt, was die sympathischen Musiker dankbar und lächelnd annahmen. Nebenbei verkündete Hansi, daß alle Konzerte dieser Tour für ein Live-Album mitgeschnitten würden. Was aber die vorhandene Begeisterung nicht steigern konnte, denn Blind Guardian werden immer verdient abgefeiert, nicht nur bei Heimspielen. Nach dem schnelleren “Lost in the Twilight Hall” kam Frederik nach vorne, zu einem kleineren Schlagzeug, denn die Band rückte für zwei Akustiknummern enger zusamen. Gespielt wurden “Miracle Machine” vom neuen Album, gefolgt von einem Klassiker der Band, dem vertonten Vers aus dem “Herr der Ringe.” Beim zweiten Lied bewies die gesamte Halle ihre Textsicherheit und entlastete Hansi. “Lord of the Rings” war quasi die Generalprobe für das, was noch kommen sollte. Aber erst einmal schloß sich das fünfzehn minütige “And then there was Silence” an den akustischen Teil an, als jeder wieder an seinem Platz stand und saß. Eine Mitsingpassage im Lied nutzten die Zuhörer hemmungslos, um ihrer Begeisterung Ausdruck zu verleihen. Hansi fragte, wie oft die Passage noch gesungen werden sollte, gab fünf Durchläufe vor und zählte mit. Danach wurde das Lied zwar beendet, doch sobald die letzte Note verstummte, erklang die gleiche Passage wieder aus über siebentausend Kehlen. Für einige Minuten gab es für die Band keine Chance, das Wort zu ergreifen, denn sobald sich Hansi dem Mikro näherte, schwoll der Gesang wieder an. Die sechs Musiker waren sichtlich begeistert. Passenderweise wurde der “reguläre” Teil mit “And the Story ends” beendet, nachdem der Chor aus tausender Kehlen verklungen war.
Natürlich war das noch nicht alles und die Band ließ die anwesenden Zuschauer nicht lange ihre verdiente Zugabe einfordern und “War of Wrath”, das gesprochene Intro kündigte das erste Lied des zweiten Blocks an. Blind Guardian bewiesen mit den drei schnellen Nummern “Into the Storm”, “Twilight of the Gods” und “Valhalla”, daß sie noch genug Energie übrig hatten. Und die Menge bewies die gleiche Energie und sang wieder einmal dankbar die Zeilen mit, wobei natürlich gerade “Valhalla” zum Mitgrölen einlud.
Auch als Blind Guardian die Bühne erneut überglücklich verließen, verstummte die Halle keineswegs und forderte lautstark den “Bard’s Song” ein. Zuvor drehte die Band erst einmal am Rad. Das epische “Wheel of Time” startete den dritten Block des Abends, bevor endlich und von allen der herbeigesehnte Höhepunkt eines jedes Konzerts der Krefelder kam. Wieder vorne am Bühenrand versammelt, spornte Hansi das Publikum an, indem er erwähnte, daß es die Aufnahme aus Düsseldorf auf’s letzte Live-Album geschafft hätte. Das ließen sich die Fans natürlich nicht zweimal sagen und folglich brauchte Hansi gar nicht ans Mikro, den Gesang übernahmen die Fans. Ich finde es immer wieder erstaunlich, daß eine Ballade das Aushängeschild für eine Metalband ist, besonders, wenn man beobachtet, wie gerade die älteren, schnelleren und härteren Nummern herbeigewünscht werden. Aber egal, denn “The Bard’s Song (In the Forest)” garantiert immer Gänsehaut pur. Das Lied sollte man auf jeden Fall einmal auf einem Konzert miterlebt haben.Zum Abschluß gaben Blind Guardian nochmal Gas und hielten den Zuschauern den (roten?) Spiegel vor. Zumindest sollte es der Abschluß sein. Die Band versammelte sich schon zur Verbeugung vorne am Bühnenrand, aber die Rufe nach “Majesty” waren so laut und anhaltend, daß die Band klein beigab, Frederik nochmal vom Chef hinters Schlagzeug geschickt wurde und das Leierkasten-Intro das Eröffnungslied vom Debutalbum ankündigte. Zum letzten Mal an dem Abend wurde gebangt was das Zeug hielt. Damit endete ein grandioses Konzert.
Die Aufteilung, neunzig Minuten Konzert und sechzig Minuten Zugaben ist auf den ersten Blick etwas ungewöhnlich. Auf den zweiten Blick bleiben aber zweieinhalb Stunden, in denen Blind Guardian bewiesen, daß sie zu den besten und sympathischsten Metalbands gehören. Nicht nur haben sie es geschafft, in ihrer Setlist kein Album auzulassen und daß, obwohl drei der gespielten Lieder je zehn Minuten und länger gehen. Sie vermochten es auch, daß Alle vor und auf der Bühne, an diesem Abend die Halle zufrieden, begeistert und lächelnd verlassen haben. Und wahrscheinlich noch lange an Lagerfeuern Geschichten darüber zum Besten geben werden.And the Bericht ends.