AbschiedsKISS

Legends never die

Der Juni 2022 hatte was im Gepäck, was unausweichlich eintreten mußte. Eigentlich hätte das allerletzte KISS-Konzert unserer Leben an meinem Geburtstag stattfinden sollen, wäre Covid nicht gewesen. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben und so arbeiten die vier Amerikaner fleißig die verkauften Karten ab, bevor sie ihre Live-Aktivitäten einstellen. Zweimal durften wir the hottest Band in the World noch live erleben. Das erste Mal in der Dortmunder Westfalenhalle, gemütlich vom Sitzplatz aus, bevor wir dann aus dem Pit heraus in der heißen, saunaartigen Festhalle in Frankfurt endgültig Abschied nahmen.

Nach der Vorgruppe wird die Bühne von einem großen, schwarzen Vorhang verdeckt, auf dem in großen Lettern das Bandlogo prangt. Und jeder weiß, was kommen wird, wenn der Vorhang fällt. Dass sich KISS Tour neu erfinden war nicht zu erwarten und ergibt, gerade auf der letzten Tour, überhaupt keinen Sinn. Die Hallen sind voll mit Menschen, die Funken sprühende Gitarren und aufsteigende Schlagzeuge sehen wollen, die darauf warten, dass Gene Simmons Feuer und Blut spuckt, Paul Stanley über die Menge fliegt und nicht zuletzt, wie am Ende die Show im Konfettiregen zu Ende geht. Gerade auf der letzten Livetour sollte man die Erwartungen erfüllen und zeigen, wie man sich den Legendenstatus erspielt hat. Das wissen die vier Amerikaner nur zu gut. Als ein Brummen die Halle erfüllt, wird der erste Jubel laut. Gefolgt vom Bandmotto, das durch die Boxen schallt und von der ganzen Halle mitgesprochen wird:

You wanted the Best and you got the Best. The Hottest Band in the World: KISS!“.

Mit einem Donnerschlag fällt der riesige Vorgang hernieder und wird von fleißigen Stagehands weggetragen. Was kaum einem auffällt, denn das Publikum schaut nicht nach unten, sondern nach oben, von wo die Rockgötter aus dem Olymp auf die Bühne herunterschweben und mit “Detroit Rock City” die zweistündige Show amtlich beginnen. Gefolgt wird das von der Aufforderung “Shout it out loud”, was sie aber keinem zweimal sagen müssen. Nach “Deuce” kommt dann ein kleiner Achtzigerblock.

Wie in den vergangenen Jahren wechseln sich der Demon und das Starchild verstärkt mit den Lead-Vocals ab. Paul Stanley singt die Lieder nicht mehr minutenlang an, um seine Stimme zu schonen. Das gehört mit zu den Alterserscheinungen, die sich in den vergangenen zehn Jahren eingeschlichen haben. Dazu gehört der Bewegungsradius von Gene Simmons, der auf seine Bühnenhälfte begrenzt ist, was 2017 noch nicht so war. Was er an Bewegung spart, machen Tommy Thayer und Paul Stanley, die das ganze Konzert  über die gesamte Bühne laufen und tänzeln, wieder wett. Es soll aber nicht der Eindruck entstehen, Gene stünde nur gelangweilt vor dem Mikroständer. Weit gefehlt. Er präsentiert seine Fledermausflügel, posiert was das Zeug hält, sucht den Kontakt zu den Zuschauern und versucht sich, wie ein Hund, abzukühlen indem er oft seine Zunge rausstreckt.

Fünfzig Jahre stehen Simmons und Stanley inzwischen gemeinsam auf der Bühne. Das Alter merkt man den Beteiligten kaum an. Schließlich gibt es Bands, die nur halb so alt sind und trotzdem nur halb so agil auf der Bühne agieren. Man erkennt, wie sich die beiden Bandbosse gegenseitig anstacheln. Es ist einfach schön zu sehen, wie viel Spaß die Zwei daran haben, über die Bühnen dieser Welt zu rocken und die Fans glücklich zu machen. Die Energie eines KISS-Konzerts entsteht durch die positiven Rocksongs und die Band, die zu keiner Zeit still steht.
Viel hat sich in der Corona-Pause nicht an der Setlist getan, ich hätte mir nach wie vor “Unholy” vom Demon in voller Montur gewünscht, aber davon abgesehen enthält sie einen guten Querschnitt durch die Discographie.

Für “Love Gun” fliegt Paul Stanley wieder über die Köpfe des Publikums auf eine kleine Bühne im hinteren Teil der Halle. Nach “I was made for lovin’you” kehrt er zurück zur großen Bühne. Eric Singer am Gesang leitet mit “Black Diamond” langsam das Ende des Konzerts ein. Als Zugabe darf der Catman an einem Klavier Platz nehmen und “Beth”, die einzige Ballade des Abends, zum Besten geben. Das gehört zu meinen wenigen Kritikpunkten der Show. Die ganze Zeit sitzt Eric Singer hinter seinem Schlagzeug und am Ende trennt ihn das Klavier vom Publikum. Man hätte ihn, wie 2010, einfach mit einem Mikro bewaffnet auf die Bühne stellen sollen. Außerdem hätte man Tommy Thayer nicht nur ein Gitarrensolo, sondern ein eigenes Lied präsentieren lassen können.
Zeit, sich darüber im Konzert Gedanken zu machen, bleibt nicht. Denn die Band hat sich am Ende von “Beth” wieder auf der Bühne zusammengefunden und gemeinsam stellen sie die rhetorische Frage “Do you love me?”. Bei “Rock and Roll all Nite” legen Band und Zuschauer nochmal die verbliebende Energie nach und zelebrieren gemeinsam das Ende der großartigen Rockshow und die Verbundenheit zwischen KISS und ihren Fans. Konzerte enden irgendwann, aber Legenden sterben nicht.

Wir dachten zwar, der Titel “Tears are falling” wäre nach dem Konzert Programm, aber dafür sind die vier Amerikaner zu gut. Nach einer zweistündigen Show, voller energiegeladener Musik und positiver Energie, standen wir glücklich im gefallenen Konfetti. Es war ein würdiger Abschied. KISS haben inzwischen bekanntgegeben, weitere 100 Städte besuchen zu wollen, weil sie soviel Spaß zusammen auf der Bühne haben. Auch, wenn wir dann wieder dabei wären, sollte es sie nach Deutschland verschlagen, wissen wir, so wird’s nie wieder sein.

Dortmund Rock City

Frankfurt – End of the Pics

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