Poesie und schmutzige Witze unter freiem Himmel
Ganze 4 Jahre ist es her, dass wir das letzte Mal einem Konzert der “ältesten Boygroup der Welt” mit ihrem Anführer Ulrich Tukur beiwohnen durften.
Pandemiebedingt kam es leider nicht zu einem Rendezvous in Dortmund 2021, also lagen die Hoffnungen auf dem Abend in Wetzlar. Durch die Lockerungen der Maßnahmen und die Tatsache, dass dieses Konzert unter freiem Himmel geplant war, konnte das neue Programm “Rhythmus in Dosen” tatsächlich stattfinden.
Wieder einmal den Altersdurchschnitt des Publikums sprengend, fanden wir uns am 1.7. 22 in der ersten Reihe im Wetzlarer Rosengärtchen ein. Eine schöne Kulisse, Amphitheatermäßig aufgebaut, jedoch mit einem recht großen Abstand zwischen erster Reihe und Bühne, was Herr Tukur später auch anmerkte.
Punkt 20 Uhr kamen die 4 Herren Ulrich Tukur, Günter Märtens, Ulrich Mayer und Kalle Mews adrett gekleidet in braunen Anzügen durch die Reihen im Publikum und begrüßten , sich nach der Größe ordnend, die zahlreich erschienenen Zuschauer.
“Das Jubiläumsprogramm”, so der Untertitel, hatte einige Klassiker im Gepäck, wie z.B. “Putting on the Ritz”(Oder war es doch eine alte russische Weise: Putin on the Ritz?), “Am Steinhuder Meer”, “Ein Senor und eine schöne Senorita”, jedoch auch neue Stücke, u.a. “Tuxedo Junction” oder “The devil and the deep blue sea”.
Charmant und voller Humor wurden die Stücke von Ulrich Tukur mit kleinen Geschichten anmoderiert, und teilweise mit autobiografischen Anekdoten bereichert, wie z.B. als er Cole Porter 1937 begegnete oder früher bei Dr. Oetker in der Backpulverherstellung arbeitete. Die wenigsten werden auch wissen, dass der Schwabe Gerhard Müller nach Amerika auswanderte und dort als Glenn Miller Gassenhauer wie “In the mood” komponierte. Manchmal verzettelte sich Ulrich Tukur jedoch etwas in seinen Geschichten, sodass Herr Mayer soufflierend eingreifen musste, wenn sein Bandleader zerstreut fragte “Öhm, wo war ich gerade?”.
Nicht nur Herr Tukur konnte durch seine Geschichten, Witze und vorgetragene Liebesgedichte (Seemannstreue von Joachim Ringelnatz: unbedingte Empfehlung, dieses einmal zu googlen) überzeugen; auch seine Mitstreiter von den Rhythmus Boys hatten ihre Momente, zu glänzen. Herr Mayer konnte bei diversen Soli das Publikum begeistern – Jimi Hendrix hätte die Gitarre nicht besser spielen können (auch wenn er beim Aufstehen etwas Hilfe benötigte) und an der Ukulele bei “Begin de Beguine”, Kalle Mews bei einem Rockstar-verdächtigen Schlagzeugsolo, sowie feinster Schlagzeugakrobatik während “So wird’s nie wieder sein” und Günter Märtens bei seinem Fruchtbarkeitstanz.
Nach einer kurzen Pause ging es weiter mit feinstem Rock ‘n Roll bei “Let’s spend the night together”, bei dem Herr Märtens sich seines Jacketts entledigte und in bester Mick Jagger Manier über die Bühne tänzelte, schließlich von selbiger sprang und eine Dame in der ersten Reihe ansang. Um eine weitere Eskalation zu vermeiden, stimmten die restlichen Musiker schnell ein anderes Lied an.
Im Laufe des Programms lernte das Publikum noch die wirklichen historischen Ereignisse, wie z.B. die Entdeckung Wetzlars durch Christopher Kolumbus während dieser an der Lahn entlang segelte. Natürlich in der Anmoderation des Stücks “Christopher Columbus” mit Arrangements, an denen sie lange geübt haben. Die Einbindung des Publikums (Sie haben jetzt die einmalige Gelegenheit, für ein paar Minuten ein Rhythmus Boy zu sein!) erfolgte beim Stück “Goody Goody”
Ein kurzweiliger Abend ging schnell zu Ende, doch natürlich nicht ohne Zugaben. Beim (immer noch politisch korrekten!) “Bongo Bongo” konnte Herr Mews durch seine täuschend echten Tierimitationen beeindrucken, aber für jemanden, der bei seinen ornithologischen Forschungen zeitweise in den Nestern der Forschungsobjekte lebte und mit einem Wiedehopf verheiratet ist, ist das natürlich ein Klacks. Im letzten Lied des Abends, “La Paloma” schafften es die Musiker, mit ihren Instrumenten eine ganz besondere Atmosphäre zu kreieren, die das Publikum komplett in ihren Bann zieht und man wirklich das Gefühl hat, man steht in einem Hafen und sieht die Schiffe vorbeiziehen. Völlig zu Recht wurden die Musiker mit einem gewaltigen Applaus verabschiedet.
Für uns sollte es mit einem Wiedersehen allerdings keine 4 Jahre mehr dauern: Denn im Mai lasen wir durch Zufall die Ankündigung, dass Ulrich Tukur und die Rhythmus Boys nach 20 Jahren wieder in Siegen spielen: In stimmiger Kulisse beim Sommerfestival im Oberen Schloss. Eine Gelegenheit, die wir uns natürlich nicht entgehen lassen konnten, somit saßen wir einen Tag später wieder in der ersten Reihe.
Obwohl es das gleiche Programm war, gab es kleine Abweichungen, so gab es z.B. keine Pause und ein paar Lieder wurden weggelassen. Zudem entdeckte Christoph Kulumbus natürlich in der Anmoderation Siegen, nachdem er bei Hennef in die Sieg abbog.
Nach so langer Zeit die 4 Musiker wieder live zu erleben, und das gleich an zwei aufeinander folgenden Abenden war ein echtes Highlight. Hoffentlich dauert es nicht wieder 20 Jahre, bis sie Siegen neu entdecken.